HAUS DER VORSTELLUNG

Bewusstseinserweiterung im „Haus der Vorstellungen“

Tip Berlin Artikel von Laura Ewert:
„Der Boden leuchtet in der gleichen goldenen Holzfarbe wie die großen Flügeltüren, und die Sonne scheint schräg durch das ungeputzte Fenster. In der Torstraße 166 wohnt niemand mehr, die Türen der Wohnungen sind offen. Der letzte Mieter hat das Haus im Frühjahr verlassen, dafür ist Jaana Prüss vor Kurzem in den zweiten Stock eingezogen, mit einem schicken Metallschreibtisch, Ledersesseln und einem Computer. Im Hinterhof auf einer Bank steht frischer krümeliger Kuchen, und aus der Kellertür kommen Baugeräusche. Im vierten Stock reißt Ralf Schmerberg gerade die Tapete von den Wänden und läuft durch die Räume. Vorbei an der umgekippten Badewanne, der Waldfototapete. Er bleibt am Fenster stehen, das voll ist mit Taubendreck. „Dort hinten kommt die Bar hin. Da der große Tisch und im hinteren Raum die Jurte.“ Schmerberg hat genaue Vorstellungen, wie hier alles werden soll. Zusammen mit der Kuratorin Prüss setzt der Filmemacher gerade das temporäre Kunstprojekt Haus der Vorstellungen um. Sie haben zwölf international bekannte Künstler eingeladen, die Wohnungen zum Thema „Vorstellung“ zu gestalten. „Es ist ein Experiment, ein Happening. Wir haben hier genügend Platz, der Vorstellungskraft freien Lauf zulassen.“ So die Organisatoren. Vom 27. September bis zum 12. Oktober ist das Haus täglich geöffnet und die verschiedenen Wohnungen frei zugänglich.

Kuratorin Jaana Prüss, Mitbegründerin der Galerie Asian Fine Arts und Projektleiterin von Art goes Heiligendamm zum G8 Gipfel 2007, hat die Künstler eingeladen, ortsspezifische Installationen anzufertigen und so Geschichten zu erzählen, zu forschen, Dimensionen zu öffnen, unterschiedliche Sinne anzuregen und die Besucher so mitzunehmen in verschiedene Vorstellungswelten.
Die norwegische Duftforscherin Sissel Tolaas zum Beispiel hat in den letzten Jahren 7.500 Düfte archiviert, darunter auch so absonderliche wie den Geruch von unter Phobien leidenden Menschen. Teile ihrer Sammlung wird sie im Raum einsetzen und das vielleicht intimste einer Wohnung offenbaren.

An einen anderen Sinn richtet sich der Berliner Musiker mosermeyer. Er wird in seiner Wohnung verschiedene Klanginstallationen präsentieren, die das Alltagsleben in diesen Räumen nur in den Köpfen der Gäste sichtbar werden lässt. So entstehen aus verschiedenen Soundbausteinen individuelle Geschichten.
Solche Geschichten stecken auch in dem Material, dass Laura Kikauka, die in Berlin und Toronto lebende Künstlerin, in ihrer temporären Wohnung verbaut. Aus vermeintlichem Müll vom Flohmarkt lässt sie kunstvolle, überladene Interieurs entstehen.
Eher an unsere Wahnvorstellung richtet sich die Rauminstallation von Chiharu Shiota. Die in Berlin lebende Japanerin ist mit ihren wirren Fadeninstallationen bekannt geworden, die an klaustrophobische Alpträume erinnern.
Die Idee zu dem Haus der Vorstellungen hat der Aktionist und Filmemacher Ralf Schmerberg zusammen mit der Werbeagentur Heimat entwickelt. Die Kunst, die gezeigt wird, dient nicht nur dem Selbstzweck, sondern auch der Werbung. „Wir sind Crossover. Nicht Kunst, nicht Werbung, dazwischen.“ sagt er. Finanziert wird das Projekt von einer Baumarktkette. „Bis das Geld für so ein Projekt aus öffentlichen Fördergeldern bewilligt worden wäre, hätte es fünf Jahre gedauert.“ Nichts für den quirligen Schmerberg, der bisher mit der Kommunikationsplattform dropping knowledge oder Werbespots für Nike und Co. von sich Reden machte. about:blank

Als Ergänzung zu der Kunst wird es in der obersten Etage einen Salon geben, an dem jeden Abend wechselndes Programm stattfinden soll. Dinnerpartys, Lesungen, „und vielleicht kommt auch mal Tarantino vorbei“. Man wisse ja nie, was in dieser Stadt so los sei, solche Salons könne man nicht einfach so planen. Nach den zwei Wochen werde ihn auf jeden Fall jeder vermissen, so Schmerberg.
Was sich ein wenig nach perfekt durchgestyltem Mitte-Event für eine Firmenpräsentation anhört, verspricht vor allem ein sehr kommunikativer und sinnlich erlebbarer Ort für individuelle Bewusstseinserweiterung zu sein. Trotz Werbeauftrag, der ideale Ort für Vorstellungen.“

Erschienen im TIP Das Haus der Vorstellungen

Direktor: Ralf Schmerberg
Kuratorin: Jaana Prüss
Künstler*innen: Raumlabor Berlin, Laura Kikauka, Chiharu Shiota, Plastique Fantastique, Moser/Meyer, Harry Sachs/Franz Hoefner, (e.) twin Gabriel, Harald Smykla, Sissel Tolaas, Manfred Reuter, Souzie Haas, Christine Rebet

Torstraße 166, Mitte, Sa 27.9. bis So 12.10., tgl. 12-22 Uhr

Weitere Links:
Magazin (Redaktionelle Mitarbeit Jaana Prüss, Gestaltung Lena Mahr, Triggerhappy)
Bilderstrecke im Tagesspiegel